Harnwegsinfekte und wiederholt auftretende Harnwegsinfekte
Harnwegsinfekte betreffen zu 75 % Frauen und zu 25 % Männer. Circa jede zweite Frau erleidet bis zum 24 Lebensjahr mindestens eine Blasenentzündung. Etwa jede vierte Frau leidet an wiederkehrenden rezidivierenden Harnwegsinfekten.
Typisch sind Beschwerden im Harnröhren- und Blasenbereich beim Wasserlassen, häufiges und tröpfelndes Wasserlassen und Harndrang.
Die geringe Distanz von Vagina und Anus erleichtert die Besiedlung der Harnröhre mit Keimen. Zudem begünstigt die im Vergleich zum Mann kurze Harnröhre den Aufstieg von Keimen in die Harnblase.
Von rezidivierenden Harnwegsinfekten wird bei 2 oder mehr Harnwegsinfekten innerhalb von 6 Monaten bzw. 3 oder mehr innerhalb von 12 Monaten gesprochen.
Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten findet sich Escherichia coli in drei Viertel aller Fälle als häufigster Erreger. Deutlich seltener finden sich Pseudomonaden, Staphylokokken und Enterokokken.
Therapeutisch sollten nur Antibiotika verwendet werden, deren Resistenzwerte beim zu erwartenden Erreger bei unter 20 % liegen.
Wichtig bezüglich der Analyse des Urins: die Probengewinnung sollte möglichst > 4 Stunden nach dem letzten Wasserlassen erfolgen. Es sollte zudem ein Mittelstrahlurin bei gespreizten Vulvalippen gewonnen werden, nachdem der Harnröhrenausgang mittels klaren Wassers gereinigt wurde.
Zu den Erstlinientherapeutika/Antibiotika unkomplizierter Harnwegsinfekte gehören Pivmecillinam, Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Trimethoprim.
Folgende therapeutische Optionen bestehen neben einer antibiotischen Behandlung:
Ibuprofen 3x 40 mg für 3 Tage. Nach Studienlage ist damit in 53-67 % der Fälle eine antibiotische Behandlung einsparbar, da viele Harnwegsinfekte spontan sistieren
Diclofenac 2×75 mg für 3 Tage. In 73 % der Fälle ist eine antibotische Behandlung einsparbar
D-Mannose
Canephron N Tropfen (pflanzliches Präparat: Rosmarinblätter-Extrakt, Liebstöckelwurzel-Extrakt, Tausendgüldenkraut-Extrakt): 3x tgl. 5 Tropfen für 7 Tage. In 84 % der Fälle ist eine antibiotische Behandlung einsparbar Eine antibiotische Behandlung lässt sich, wie oben gezeigt, häufig einsparen, gleichzeitig ist aber die Rate an Nierenbeckenentzündungen und Patientinnen mit hoher Symptomlast bei Verzicht auf ein Antibiotikum erhöht Fosfomycin ist ein Erstlinientherapeutikum bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfekten. Die Resistenzlage gegenüber Escherechia coli liegt bei 0,8%, bei rezidivierenden Harnwegsinfekten bei 0,7 %. Häufige Nebenwirkungen sind: Vulvovaginale Infektionen, Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen. Eine Prophylaxe bei rezidivierenden Harnwegsinfekten ist off-label möglich. Für Patientinnen > 65 Jahre ist das Präparat nicht empfohlen.
Dosierung: 1x3g Granulat zur Nacht
Auch Nitrofurantoin ist ein Erstlinientherapeutikum bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfekten. Die Resistenzlage gegenüber E.coli liegt zwischen 0,1 und 1,6 %. Mit einer Häufigkeit von 1:10 bis 1:100 treten als Nebenwirkung das Lungenödem, die interstitielle Pneumonie, die Pleuritis und Atemnot auf – diese sind wahrscheinlicher bei der Rezidivprophylaxe bzw. bei einer Anwendung > 6 Monate. Bei Leber- und Niereninsuffizienz darf das Medikament nicht verordnet werden. Unter Therapie mit Nitrofurantoin, v.a. bei Verwendung von rezidivierenden Harnwegsinfekten, sind Kontrollen von Blutbild, Leber- und Nierenwerten, empfohlen. Die Empfindlichkeitsraten für E.coli liegen bei > 90 %. Es ist für die Rezidivprophylaxe, anders als Fosfomycin, zugelassen.
Dosierung: Nitrofurantoin: 50 mg 4-6x tgl. für 7 Tage
Nitrofurantoin retard: 100 mg 2-3x tgl. für 5 Tage
Nitroxolin ist zugelassen für die Behandlung der akuten und chronischen Infektion der ableitenden Harnwege sowie zur Rezidivprophylaxe. Die Resistenzrate bei Therapie nicht rezidivierender Harnwegsinfektionen liegt bei 0,6%, bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen bei 1,0%. Mit > 1 % treten Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auf. Mit > 0,01% kommt es zu einer Verminderung der Blutplättchen oder vorübergehenden Gelbfärbung von Haut, Haaren, Skleren und Nägeln.
Dosierung: 250 mg 3x tgl. für 5 Tage
Pivmecillinam ist ein Penicillin. Es liegt eine günstige Resistenzlage vor. Veränderungen der Vaginal- und Darmflora sind als Nebenwirkung selten.
Dosierung: 400 mg 2-3 x tgl. für 3 Tage
Cefpodoxim, Cotrimoxazol und Fluorochinolone sollen aufgrund des Nebenwirkungsprofils und der Resistenzlage nicht als Erstlinientherapeutika eingesetzt werden.
Bei prämenopausalen (vor den Wechseljahren) Frauen mit akuten unkomplizierten Nierenbeckenentzündungen soll eines der folgenden Antibiotika eingesetzt werden:
– Cefpodoxim – 2x tgl. 200 mg für 5-10 Tage
– Ciprofloxacin – 2x tgl. 500 mg für 3 Tage
– Levofloxacin – 1x tgl. 500 mg für 7-14 Tage
Folgende Risiken/Empfehlungen gelten für Frauen mit wiederholt auftretenden/rezidivierenden Harnwegsinfekten:
Wenn die Trinkmenge < 1,5 l liegt-> Erhöhung auf > 2,5 l; hälftig Wasser, hälftig Beeren-Säfte
Bei Vorliegen eines BMI > 30-> Risikoerhöhung um den Faktor 2,5-5-> Gewichtsabnahme empfohlen
Sitzen > 2 Stunden/Tag ist ein Risikofaktor
Bei Harndrang sehr zeitnah Wasserlassen
Geschlechtsverkehr erhöht das Risiko, insbesondere wenn Spermizide verwendet werden, eine Spirale in der Gebärmutter liegt oder Analverkehr erfolgt
Übertriebene Genitalhygiene ist ein Risikofaktor
Unterkühlung ist ein Risikofaktor – Sitzen auf kaltem Untergrund, kalte Füße; nasse, verschwitzte Kleidung umgehend ablegen
Vesikoureterorenaler Reflux als Risikofaktor – Rückfluss von Urin aus der Blase über die Harnleiter in die Nieren – primäre Form: angeboren, Fehlmündung des Harnleiters in die Harnblase; sekundäre Form: erworben, z.B. in Folge von Blasenentzündungen/Blasenentleerungsstörungen
Abwischen nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten
Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten bestehen meist Resistenzlagen > 20 %. Kommt es bei einem vermuteten rezidivierenden Harnwegsinfekt nicht zur Beschwerdelinderung und wird in der Urinkultur kein Bakterienwachstum festgestellt, ist differentialdiagnostisch an eine hyperaktive Blase oder ein bladder-pain-Syndrom zu denken.
Nicht verschreibungspflichtige therapeutische Optionen bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen:
D-Mannose 2 g 1x tgl.
Heftet sich an die bakteriellen Flimmerhärchen, wodurch diese weniger gut an der Oberfläche des Harnwegssystems anheften können
GAG-Schicht-Substituent Chondroitinsulfatn1x tgl. 200 mg
Verhindert das Anheften der Bakterien an die Harnblasenwand; mittels einer antibiotischen, 6-monatigen Prophylaxe lässt sich die Rezidivrate um bis zu 95% senken. Die Einnahme sollte neben allen konservativen Maßnahmen konsequent für 6 Monate durchgeführt werden
Cranberries
Enthalten Proanthocyanidine, diese Hemmen das Anheften von E.coli an die Oberfläche des harnableitenden Systems; Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse
Verschreibungspflichtige therapeutische Optionen bei rezidivierenden Harnwegsinfekten
Off-label: vaginale Östrogensubstitution über 4 Wochen (0,5 mg Östriol 1x tgl. -> über 11 Monate Rezidivfreiheitsrate > 80 % bei prämenopausalen Frauen
Uro-Vaxom enthält 18 E.coli-Fraktionen und dient als Immuntherapeutikum für Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten. Es aktiviert die zelluläre und humorale Immunität – dadurch kommt es zu einer verstärkten Immunantwort im Bereich der ableitenden Harnwege. Über 3 Monate 1x tgl. 6 mg, Auffrischung 3 Monate nach abgeschlossener Grundimmunisierung mit 1Kapsel/Tag über 10 Tage/Monat für 3 Monate; es zeigt harnwegsinfektionsfreie Raten zwischen 52,6 und 87,5 % im Vergleich zu 50 % in der Placebogruppe. Mögliche Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall, allergische Reaktionen, Bauchschmerzen, Juckreiz, Fieber
Fosfomycin 3 g 1x tgl. alle 10 Tage für 6 Monate, off-label
Nitrofurantoin 50 mg oder 100 mg 1x tgl. für 6 Monate, zugelassen
Wenn Harnwegsinfekte v.a. nach dem Geschlechtsverkehr auftreten, ist auch eine postkoitale Prophylaxe möglich
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